Review< Zurück 12.03.2009
Von Lena Wiesbauer & Vilja Neuwirth
Also ganz einig sind sich die beiden Damen nicht. Der selbe Film ist anscheinend entweder leidenschaftliches Gefühlsfeuerwerk, oder Rosamunde Pilcher in indischem Lokalkolorit. Kitsch me, if you can!
Jamal Malik, ein ehemaliger Straßenjunge aus Mumbai, ist auf dem Polizeirevier und wird einem Verhör unterzogen. Warum? Weil er bei einer der gewinnbringendsten TV-Show der Welt namens „Who wants to be a millionaire?“ kurz vor der letzten und wichtigsten Frage steht. Und weil niemand – vor allem nicht der Stab der Sendungsmacher – glaubt, dass es ein fucking slumdog so weit bringen konnte ohne zu betrügen. Bevor er also den großen Gewinn von 20 Millionen Rupien „mit nach Hause nehmen darf“ muss er beweisen, dass er kein Cheater ist. Der indische Armin Assinger ist jetzt ein beinharter Kommissar, das Publikum ein etwas tollpatschiger Assistent und nicht das Publikum wird auf die Folter gespannt sondern Jamal. Er hat nur einen Joker – sein Leben.
Wie also, for Shiva sake, hat er betrogen? Wieso wusste er all die Antworten? Ganz einfach: Weil jede Frage mit seinem Leben zu tun hat.
Dem Team unter der Regie von Danny Boyle (Trainspotting, The Beach, 28 Days Later) ist es gelungen Slumdog Millionaire , der auf dem Buch „Q and A“ von Vikas Sawrup basiert, in ein bildgewaltiges Gefühlsfeuerwerk zu verwandeln, das es nur so knallt. Verzweiflung und Mut, kalter Hass der Leiden schafft und Leidenschaft, Freude und Gleichgültigkeit, Liebe und Liebe …
Ein kurzer Vorgeschmack und thank shiva nicht Vorgeruch auf Jamals Lebensszenen: für den Lieblingsstar scheiß viel Mut zeigen (im wahrsten Sinne des Abortes), die Mutter göttlich verlieren, sich augenblicklich von einem Mädchen verzaubern lassen, sich mit einem Bruder durchbeißen, der schlag- und schussfertig ist, für Geld ein hohes Maß and Kreativität zeigen, ein Art Held sein – einer für alle …
Boyle wäre der Bogen um Bollywood beinahe geglückt, wäre da nicht ein kleiner unvermittelter und unvermittelnder Tanz am Ende des Films. Wohl bemerkt: Am Ende! Also genug Zeit um schnell das Kino zu verlassen und die vorher gesehenen Bilder und gehörten Dialoge im Langzeitgedächtnis zu behalten. Apropos Dialoge: Das Drehbuch stammt von Simon Beaufoy, dem es schon in Ganz oder gar nicht grandios gelungen ist, nackte Tatsachen schmunzelnd zu verpacken (oder in jenem Fall zu enthüllen …)
Slumdog Millionaire
stößt in den „Heimatgefilden“ allerdings auf rege Kritik, zeigt er doch zu sehr die herrschende Armut, den Dreck, den Schmutz, die Korruption, die Gewalt, die Realität. Anscheinend ist die Mehrheit der Inder wohl eher dem Sing-Schwing-Film verfallen.
In den USA – und nicht nur dort – war Slumdog Millionaire jedoch ein wahrer Zuschauererfolg.
Für alle Zahlenliebhaber und Zahlenliebhaberinnen: 8 Oscars und 4 Golden Globes hat der Film abgeräumt. Am Startwochenende ab dem 12.11. 2008 spielte er 360.000 US-Dollar in nur 10 US-amerikanischen Kinos ein und mittlerweile ist die Millionen Dollar-Marke weit überschritten, was nur wenige Indi-Indie-Produktionen bis jetzt geschafft haben.
Um zu wissen, ob dieser Film sehenswert ist, braucht es weder einen 50:50 Joker, noch einen Telefonanruf, noch ein Publikum, das sich verdrückt bevor es sich verdrückt.
Es gibt zwei Antworten: A & B. A wie Anschauen. B wie Bald.
Lena Wiesbauer
Hollywood goes Bollywood – noch ohne Gesang, aber der kommt sicher auch noch, nämlich dann, wenn in naher ( von mir jetzt vorausgesagter) Zukunft der indische Oliver Twist als Musicalproduktion erscheint.
Ein Film, absolut zum Wohlfühlen, man sieht, die Bösen sind sehr böse, die Guten sind sehr gut, die amerikanischen Touristen beim Taj Mahal sind bescheuert, die slums sind gar nicht so schmutzig, die Züge nicht allzu überfüllt und im Bordell lernt man indischen Tanz. Am Ende gibt’s selbstverständlich ein happy ending, alle sind fröhlich und tanzen in bester Bollywoodmanier was das Zeug hält.
Ich hab die Novelle „Q & A“ von Vicas Swarup, nach der Simon Beaufoy das Drehbuch zu diesem, meiner Meinung nach, unsäglich schlechten Film schrieb, nicht gelesen, aber schon beim Ansehen des Films sind mir viele Ungereimtheiten aufgefallen. Unter anderem sprechen die Protagonisten plötzlich ein wunderbares britisches Englisch. Zwischentöne, die ein Land wie Indien erst interessant machen, fehlen zur Gänze.
Auch die Schauspieler sind nicht besonders gut, vor allem Freida Pinto - Lakita als Erwachsene - die vor diesem Film gemodelt hat. Und Dev Patel, der den erwachsenen Jamal darstellt, ist ebenfalls nicht sehr wandlungsfähig. Er schaut entweder erstaunt oder traurig, meistens jedoch nur gut aus. Dafür zeigt er am Ende des Films, dass er zumindest tanzen kann. Bei Freida Pinto ist nicht einmal das der Fall. Zur Musik : laut, noch lauter, am lautesten und so ganz und gar nicht Indisch. Eher so, wie man sich in Hollywoodrestaurants indische Musik vorstellt.
Wenig Substanz , aber sehr viel Oberflächlichkeit. Schlicht und ergreifend hinduistisches Kommerzkino aus Hollywood. Wenn sie Rosamund Pilcher gepaart mit indischem Lokalkolorit, arme gepeinigte Waisenkinder, slums und etwas Brutalität, immer wieder action, jede Menge Kitsch, das Taj Mahal, den Hauptgewinn bei der einheimischen Version von „Wer wird Millionär“ und ein vorauszusehendes happy end mit anschließender Massentanzszene mögen, dann sind sie in diesem Film goldrichtig. Ansonsten bleiben sie besser zu Hause und schauen Arte oder an den nächsten 4 Mittwochen im ZDF die Dokureihe „Indien – Zwischen Mythos und Macht“.
Vilja Neuwirth
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